Sibylle Schwarz Oberstudiendirektorin Beratungslehrerin iR
Beate Schwagmaier Psychologin in der Regionalen Schulberatungsstelle des Kreises Siegen Wittgenstein
Prof. Dr.in Claudia Wickleder
Universität Siegen, FB Chemie
Imke Grabe
Geschäftsführerin des Vereins Talentnetz
Rüdiger Käuser
Schulleitung FJM Gymnasium
Geschäftsstelle des Vereins
Regionale Schulberatungsstelle für den Kreis Siegen-Wittgenstein Bismarckstr. 45, 57076 Siegen-Weidenau,
Tel. 0271-3332730, Fax 0271-3332701
E-Mail: schulberatung@siegen-wittgenstein.de
Ansprechpartner: Beate Schwagmaier (Dipl. Psychologin),
Svetlana Henrichs (Sekretariat)
Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufen I und II aus den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe, die auf Grund ihrer besonderen Begabungen im schulischen Unterricht nicht ausreichend gefördert werden können bzw. Die über den Unterricht hinausgehenden Anregungen brauchen und wünschen, können an Förderkursen teilnehmen, die projektartig oder universitären Vorlesungen ähnlich, für verschiedene Altersstufen und zu verschiedenen Wissensbereichen eingerichtet werden. Diese Fördermöglichkeit besteht seit dem Schuljahr 2000/2001.
Träger der Maßnahme ist ein eingetragener Verein, in dem Vertreter aus Schule, Universität und der schulpsychologischen Beratungsstelle sowie interessierte Eltern und Förderer vertreten sind. Die Kursleitung übernimmt in der Regel Dozenten*innen der Universität oder Lehrer*innen insbesondere mit Kenntnisschwerpunkten. Die Schulpsychologen*innen der Regionalen Schulberatungsstelle für den Kreis Siegen-Wittgenstein beraten bei der Planung des Kursprogramms und bei der Auswahl der Teilnehmer. An den meisten Gymnasien und auch an einigen anderen Sekundarschulen sind inzwischen Koordinatoren tätig, die die Anmeldung und Betreuung der teilnehmenden Schüler*innen übernehmen. Sie stellen den Kontakt zwischen Schulleitung und Veranstalter sicher und treffen sich mindestens einmal pro Schuljahr, um die Zusammenarbeit zu koordinieren, auftretende Probleme zu besprechen und über das Kursprogramm zu beraten.
Träger der Maßnahme ist der „Verein zur Förderung begabter Kinder und Jugendlicher Südwestfalen eV“, der im Frühjahr 2000 gegründet wurde. Im Vorstand des Vereins sind ein Vertreter*innen der Universität Siegen, der den Kontakt zur Hochschule hält und geeignete Dozenten*innen motiviert, Kurse zu übernehmen, ein Vertreter der Regionalen Schulberatungsstelle, der die psychologische Begleitung übernimmt und Vertreter der Schule, meist auch ein Schulleiter/eine Schulleiterin, um den Kontakt zu den Schulen zu gewährleisten. Der Verein plant das Kursprogramm, übernimmt die Organisation und wirbt um finanzielle Unterstützung dieser Maßnahmen der Begabtenförderung.
Die Kurse finden in der Regel einmal wöchentlich während der Schulzeit statt, meist nachmittags in einer Doppelstunde. Sie erstrecken sich teils auf ein Schulhalbjahr, teils auf ein ganzes Schuljahr. Aufgrund des zunehmenden Nachmittagsunterrichts und der zT weiten Anfahrten werden statt wöchentlicher Kurse verstärkt Workshops angeboten, die an zwei bis drei Wochenenden (Freitag Nachmittag und Samstag) oder an einzelnen Nachmittagen stattfinden. Die Sprachkurse werden bei Interesse über mehrere Jahre hinweg weitergeführt. Die Veranstaltungsorte der Kurse sind weit verbreitet. Teils finden Kurse in den Räumen der Universität Siegen statt, teils in verschiedenen Schulen des Kreisgebiets, oder auch an anderen Lernorten , wie zB Firmen. Die Inhalte berühren in der Regel wenig den in der Schule vermittelten Lernstoff, damit die Teilnehmer*innen ihren Vorsprung zu den Klassenkameraden*innen in den einzelnen Fächern nicht unbedingt noch vergrößern, sondern ihr Wissen erweitern und vertiefen. -Allerdings werden in manchen Kursen Grundkenntnisse vorausgesetzt. In den mathematisch-naturwissenschaftlichen Kursen werden Schwerpunktthemen vertieft und projektartig bearbeitet oder es werden fächerübergreifende Projekte durchgeführt. Es werden fremdsprachige Kurse angeboten, in denen es nicht nur um das Erlernen der Sprache, sondern auch um das Verständnis der fremden Kultur geht, oder um das Eintauchen in das Denken früherer Epochen, oder aber Sprache und Naturwissenschaft verbunden werden. Das Kurs-Ergänzungsprogramm für künstlerische Projekte. Die Schüler erhalten nach Abschluss des Kurses eine Teilnahmebescheinigung. Eine Benotung findet bewusst nicht statt, da das entdeckte Lernen in der Gruppe im Vordergrund steht. Da die Kurse auf verschiedene Altersgruppen verteilt sind, jedoch nicht auf einzelne Jahrgangsstufen zugeschnitten sind, können die Schüler immer wieder neue Lernerfahrungen machen. Die Kurse öffnen die Tür zur Universität. So nehmen Absolventen der Förderkurse vereinzelt bereits vor dem Abitur an Lehrveranstaltungen der Universität teil und erwerben dort Leistungsnachweise, die ihnen später für ein Studium anerkannt werden. Weitere Informationen finden Sie unter Kurse .
Die Dutzend*innen der Kurse erhalten ein Honorar für ihre Tätigkeit. Dazu kommen einige Kosten für Bürotätigkeiten, da diese nicht völlig von ehrenamtlichen Mitarbeitern geleistet werden können. Die Teilnehmer*innen zahlen eine Kursgebühr, die je nach Kurs zwischen 40€ und 150€ liegen kann. Einzelne Firmen und Privatpersonen unterstützen das Projekt durch Spenden, da die Kursgebühren die Kosten bei Weitem nicht decken. ( siehe Sponsoren )
Begabte Schüler*innen werden von den Schulen angesprochen und ihnen wird die Teilnahme empfohlen. In der Regel fallen diese Schüler*innen durch herausragende Leistungen und Fähigkeiten, häufig in mehreren Fächern auf. Es kann aber auch sein, dass die besondere Begabung nur in einem Gebiet erkennbar ist. Auch dann kann eine Teilnahme empfohlen werden, zumal die Erfahrung zeigt, dass sich die Erfolgserlebnisse in dem Förderkurs günstig auf die allgemeine Einstellung zu Lernen und Leistung auswirkt. Auch für Schüler manche mit eher durchschnittlichen oder sogar schwachen Leistungen, die aber dennoch gelegentlich ihre versteckte Begabung unter Beweis stellen, kann eine Teilnahme an einem Förderkurs sich positiv auf Ausdauer und Anstrengungsbereitschaft leisten. Die Schüler*innen arbeiten losgelöst von ihrem Klassenverband, zusammen mit intellektuell ihnen ähnlichen Jugendlichen, so dass sie sich nicht verstecken müssen, was in bestimmten Altersstufen sonst oft genug vorkommt - an Interesse Lernen und Arbeit, Wissensdurst gilt als an die Welt der Erwachsenen angepasste Verhaltensweise und werden somit von vielen Mitschülern, besonders von den tonangebenden Peers, abgelehnt. Im Förderkurs kann das Lernen im Team neu eingeübt und als erfolgversprechende Arbeitsweise erlebt werden – eine Erfahrung, die hoch Begabte häufig in der Schule nicht machen, auf Grund der intellektuellen Andersartigkeit der Klassenkameraden und auch auf Grund der sozialen Distanz aus den oben beschriebenen Gründen. Da viele besonders begabte Schüler*innen sehr vielseitig sind, haben sie die Gelegenheit, im Lauf der Jahre zu den verschiedensten Themen Förderkurse zu belegen. Manche bleiben dem TALENTNETZ über Jahre treu.
Die Eltern der Teilnehmer*innen verpflichten sich, die Kursgebühren zu tragen und für eine regelmäßige Teilnahme ihrer Kinder zu sorgen. Bei Problemen können Sie sich an die Fachberaterin für besondere Begabungen wenden. (siehe Kontakte). Einmal im Schuljahr findet ein Elternabend statt, an dem die Eltern weitere Informationen zur Arbeit in den Förderkursen erhalten, sich informieren und auch ihre Anliegen vortragen können. Zur Abschlussveranstaltung am Ende des Schuljahres werden sie eingeladen. Die Eltern übernehmen auch den Transport der Kinder, was in unserer Region teilweise eine große Belastung darstellt. Manche Familien nehmen Reiserouten von 30 km und mehr auf sich, damit ihr Kind an einem Projekt teilnehmen kann.
Am Ende des Schuljahres findet ein feierlicher Abschluss statt, auf dem sich die Teilnehmer*innen aller Kurse zusammenfinden, sich kennen lernen und Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch haben und ihre Kursergebnisse vorstellen. Diese Veranstaltung findet an wechselnden Orten statt, unter Anwesenheit von Dutzenden*innen und Vertreter*innen der Schulen. Hier können die Eltern Kontakte zu den Dozenten*innen und anwesenden Lehrer*innen knüpfen und sich einen Einblick in die Arbeit der verschiedenen Kurse verschaffen. Am Schluss der Veranstaltung wird den Teilnehmern eine Teilnehmerurkunde übergeben.
Im Gegensatz zu vielen Förderprogrammen bezieht sich dieses Konzept die Schulen ausdrücklich mit ein. An fast allen beteiligten Schulen sind Kontaktlehrer*innen benannt, die die Auswahl geeigneter Schüler*innen organisieren und die Schüler*innen in ihren Schulen betreuen, soweit dies notwendig ist. Die Kontaktlehrer*innen treffen sich, um das Kursprogramm des kommenden Schuljahres zu beraten und den Veranstalter bei der Organisation zu unterstützen. Der für den Bezirk zuständige Dezernent*in für Gymnasien und der Dezernent*in für Begabtenförderung werden über das Kursprogramm informiert. Am Ende des Schuljahres erhalten die Schulen eine Liste der Schüler*innen ihrer Schule, die am Förderprogramm teilgenommen haben und können somit ggf. sterben. auch auf dem Zeugnis der Teilnehmer*innen vermerken. Das Förderprogramm ist eingebunden in das Netzwerk der Begabtenförderung des Landes NRW. Somit gelten die Kurse als Schulveranstaltungen, und für die Teilnehmer*innen besteht Versicherungsschutz.
Nachdem das Kursprogramm für ein Schuljahr geplant und in den Gremien beraten worden ist, verfassen die einzelnen Dozenten*innen einen kurzen Text, in dem sie ihr Projekt beschreiben und ihre Erwartungen an die Teilnehmer*innen darlegen. Anschließend wird das komplette Veranstaltungsprogramm mit Veranstaltungssorten, Zielgruppen und den Projektbeschreibungen an die Schulen übermittelt, und zwar so, dass idealerweise auf den Versetzungskonferenzen am Ende des Schuljahres beraten werden kann, welchen Schülern*innen eine Teilnahme empfohlen werden sollte. Zu Beginn des neuen Schuljahres erhalten die Schulen noch einmal das ggf. überarbeitete Kursprogramme, sowie die Anmeldeformulare für die Schüler*innen. Diese müssen innerhalb einer festgelegten Frist an den Verein zurückgesendet werden. Die Zusammenstellung der Kurse erfolgt umgangen, und die Schüler*innen erhalten nach den Herbstferien eine Rückmeldung über ihre Teilnahme. Kursbeginn ist meist nach den Herbstferien bzw. zu Beginn des Wintersemesters. Workshops finden über das Schuljahr verteilt statt, somit können Schüler*innen auch an mehreren Kursen oder Workshops teilnehmen.
Dieses Angebot der außerschulischen Förderung bietet den Jugendlichen die Gelegenheit, außerhalb der gewohnten Schulumgebung neue Lernerfahrungen zu sammeln. Sie verlassen die „Komfortzone“ von Klasse, Schule, vertrauten Lehrer*innen, und geben sich in einem fremden Umfeld, mit fremden Dozenten*innen, ungewohnten Inhalten, fremden Mitschülern*innen. Die Erfahrung, in solch einem absolut neuen, fremden Umfeld akzeptiert und ernst genommen zu werden, macht stark und selbstbewusst. Schüler*innen mit ausgefallenen Ideen und Interessen erleben, dass sie keine „Sonderlinge“ sind, sondern dass andere ihr Interesse teilen. Sie lernen mit diesen zu kooperieren und gemeinsam außerordentliche Leistungen zu erzielen. Jugendliche, die Erfolg gewohnt sind und bisher kaum Konkurrenten hatten, erleben, dass auch andere außerordentlich leistungsfähig oder ihnen sogar überlegen sind, so dass sie einerseits lernen, sich realistisch einzuschätzen und ihre Grenzen zu erkennen, andererseits aber auch durch die Konkurrenz neu herausgefordert werden. Die ungewohnten Inhalte bieten neue Denkansätze, eröffnen neue Interessengebiete und erweitern in jeder Hinsicht den Horizont der Teilnehmer*innen, sei es auf intellektuellem, kreativem oder emotionalem Gebiet. Für einige entwickeln sich erste Vorstellungen von einem zukünftigen Studium, die Schwelle zur Universität wird überschritten, die Jugendlichen trauen sich, auch selbstständig weiter zu forschen und zu entdecken. Die Erfahrung der Selbstwirksamkeit im Projekt und die Befriedigung des umfassenden Wissensdursts wirken sich auf die allgemeine Zufriedenheit der Schüler*innen aus, sie sind für ihre Eltern – und manchmal auch für ihre Lehrer*innen – spürbar weniger anstrengend. Gleichzeitig steigert sich auch die Anstrengungsbereitschaft solcher Jugendlicher, die die Freude am Lernen teilweise verloren haben. - Gute Erfahrungen im Förderkurs lassen sich auch auf den Schulunterricht übertragen, besonders da die Schüler*innen in den Projekten methodisches Arbeiten neu entdecken. Und nicht zuletzt gewinnen die Jugendlichen neue Freunde*innen oder doch zumindest gute Bekannte, von denen sie wissen, dass sie ihnen in mancher Hinsicht ähnlich sind, und denen sie immer wieder gerne begegnen werden. Dieses „Wir“-Gefühl fehlt vielen sehr begabten Schüler*innen im Schulalltag, und manch einer/eine reagiert auf diesen Mangel mit Ängsten und anderen psychischen Problemen (besonders Mädchen).
In Zeiten knapper Mittel, reduzierter Stundentafeln sind Schulen froh, wenn sie Fördermöglichkeiten anbieten können, die ihre eigenen Ressourcen nicht oder kaum greifen. Da die Bildungspläne inzwischen immer deutlicher auch eine Förderung der Begabten fordern, können Schulen durch die Empfehlung geeigneter Schüler*innen für das Förderprojekt deutliche Akzente im Schulprogramm setzen.
Die Lernerfahrungen der Teilnehmer*innen können auch im Schulunterricht genutzt werden, unabhängig von den Jugendlichen durch Publikationen, Vorträge o.Ä. Ihre Klassenkameraden ihre Erfahrungen vermitteln – eine wichtige Übung, denn die Kommunikation mit den „Andern“ muss geübt werden, die Welt besteht nun mal nicht aus Hochbegabten. Viele reagieren jedoch besonders zurückhaltend, wenn sie ihre Leistungen öffentlich zeigen sollen – negative Erfahrungen bestärken sie immer noch darin, ihre Fähigkeiten eher zu verbergen. Hier kann Schule durch ein klares Bekenntnis zu besonderen Leistungen einen Paradigmenwechsel in Gang setzen, damit alle Schüler*innen Lernen und Anstrengung wieder als etwas Erstrebenswertes ansehen.
Die Empfehlung für einen Förderkurs erleben die Jugendlichen als eine Wertschätzung ihrer Persönlichkeit, die ihnen größere innere Sicherheit und auch Zufriedenheit im Schulalltag vermittelt – letztere wird noch verstärkt durch die neue Lernerfahrung.
Die Erfahrung seit Beginn der Fördermaßnahme zeigt, dass nach anfänglichen Schwierigkeiten die Lehrer*innen immer sicherer in der Auswahl geeigneter Schüler*innen für die Kurse werden. Gleichzeitig schärft sich der Blick für „verborgene Talente“, denen oft schon die verstärkte Aufmerksamkeit der Lehrer*innen reicht, um ihre Begabungen stärker zu nutzen. Je länger eine Schule in unserem Projekt kooperiert, desto mehr Kollegen*innen interessieren sich für das Thema, desto intensiver und selbstverständlicher wird die Förderung aller Schüler*innen mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten ernst genommen. In diesem Sinn ist Begabtenförderung auch ein Teil Schulentwicklung.
Sibylle Schwarz
Oberstudiendirektorin iR